Ausgangslage
Grossangelegte Bauprojekte stossen des öfteren auf Ablehnung in der Bevölkerung. Denn Veränderung bedeutet zuerst einmal Unsicherheit. Bemühungen von Stadtplaner:innen zur transparenten Kommunikation ihrer Vorhaben stossen an Grenzen und ein wirklicher Dialog, in dem die Meinung der Bevölkerung aufgenommen wird, bleibt oft auf der Strecke. Da hilft es, wenn die geplanten Bauten vor Ort mithilfe von Extended Reality Brillen im Massstab 1:1 erlebbar werden. So kann man vor sich sehen, was noch nicht gebaut ist, und artikulieren, was man sich wünscht. AIRE konkretisiert gleichermassen Vision und Partizipation.
Testfeld
Vor unserem Studio auf dem Basler Campus der Künste haben wir unser erstes Testfeld eingerichtet. Mit der Extended Reality-Brille blickt man auf die Skyline der Zukunft, kann Feedback zu den Entwürfen geben und durch die Räume von verschiedenen Musterwohnungen gehen oder sich verschiedene Wettbewerbsentwürfe für die Umgestaltung des öffentlichen Platzes ansehen.
Stadtpanoramen der Zukunft
Die Stadtlandschaft gewinnt mit neuen Hochhäusern nicht nur an Höhe. Diese dienen auch als Referenzpunkte, durch die Himmelsrichtungen und damit auch Stadtteile von allen Seiten her stets lokalisierbar werden. Ein neues Gefühl für die Topografie der Stadt entsteht. Um das zu antizipieren, lässt AIRE noch ungebaute Türme digital in der bestehenden Baustruktur erscheinen. Die Massstäblichkeit Ansichten impliziert dabei, dass auch die physische Dominanz der Volumen spürbar wird. Zudem können verschiedene Nutzungen – bspw. ein Café, Yogaraum, Bibliothek im Erdgeschoss – ausgewählt und betrachtet werden.
Wohnungen zur Auswahl
Noch konkreter wird es, wenn man durch Musterwohnungen laufen kann, die digital vor einen ausgebreitet werden. Hier umgeben einen die virtuellen Wände und Möbel in unmittelbarer Nähe. Man muss geradezu aufpassen, dass man sich nicht auf das virtuelle Sofa setzt, das mit zwei Handgriffen jedoch verschoben werden kann. Auch kann man die Wände der Zimmer hoch und runterlassen und so per Gestenerkennung vom Grundriss in die Raumansicht wechseln und wieder zurück.
Vorschläge zur Parknutzung
Last but not least bietet AIRE verschiedene Nutzungsszenarien für einen öffentlichen Park. Man kann Büsche und Bäume pflanzen, verschieben und vergrössern oder Parkbänke, Veloständer und Schaukeln im Raum verteilen. Dazu kann man mündlich Feedback geben, dieses aufnehmen und den Organisator:innen eines Ideenwettbewerbs zusenden.
Begleiterin «Feli»
Damit sich die User orientieren können und schnell wissen, wie sie interagieren können, führt eine virtuelle Stimme – repräsentiert durch eine schimmernde, fliegende Kugel – durch die Experience. Durch ihre Bewegung durch den zu sehenden Raum, zeigt sie zudem auf, wohin die User laufen können, um die Umgebung zu erkunden. Momentan, spricht «Feli» einen eingesprochenen Text, der aufgerufen wird, sobald die User einzelne Tasks erfüllen. In Zukunft soll «Feli» ein intelligenter Chatbot sein, der flexibel auf die Interaktionen oder die Blickrichtung der User reagiert.
Software heute
AIRE baut momentan auf ein GIS-Modell (Geological Information System) des bestehenden städtischen Umfelds auf. Dieses wurde in Unity durch die virtuellen Komponenten der noch nicht gebauten Umwelt ergänzt, die durch die Brille erlebbar werden. Ein vorab bestimmter Mittelpunkt des Testfelds dient dann als Ausgangspunkt für die Experience. Denn von hier aus berechnet die Brille die adäquate Überlagerung von realen und virtuellen Flächen und Körpern. Die für ein immersives Erlebnis zentrale Occlusion – d.h. die korrekte Darstellung virtueller Objekte in der Tiefe des Raumes – hält sich momentan an die ständigen Körper des GIS-Modells, ignoriert aber temporäre Objekte wie Schilder, Autos oder andere mobile Körper.
Ausblick
Im momentanen Stadium ist vieles schon greifbar und vieles noch in Entwicklung. Da die grossen Technologiekonzerne in neue Extended Reality Brillen investieren, erwarten wir für die nächsten Jahre grosse Fortschritte bei der Hardware, was auch die Weiterentwicklung von AIRE beflügeln, das Erlebnis des zukünftigen städtischen Raums noch immersiver und die Partizipation dabei noch intuitiver machen wird.
Geplante Entwicklung
In Zukunft sollen die komplexen Verbindungsprozesse von realer und virtueller Welt in der Brille selbst von statten gehen. Sie könnte dereinst in Echtzeit ein Mesh-Modell der Umgebung erstellen und so völlig frei im öffentlichen Raum nutzbar sein. Damit wären auch temporär sich im Raum befindende Objekte in die Berechnungen der Occlusion implementiert und eine Justierung des Systems zu Beginn der Experience entfiele. In Zukunft sollen auch mehrere User in einem Extended Reality-Modell zusammen agieren können.